Neues Gesetz über öffentliche Aufträge01/07/06 / cata_legal-tax-update

Am 1. Juli trat ein neues Gesetz über öffentliche Aufträge Nr. 137/2006 Slg. („Gesetz“) in Kraft, welches als Bestandteil des Gesetzgebungspakets zur Bildung eines rechtlichen Rahmens für öffentliche Aufträge und Konzessionen (diese werden nun gesondert in einem selbständigen Gesetz Nr. 139/2006 Slg. geregelt) entstanden ist. Die Annahme dieses Gesetzes stellt zweifellos eine Verbesserung der bisherigen Rechtsregelung dar, indem sie erstens eine gesetzliche Präzisierung der Vergabebedingungen bringt und den Auftraggebern gleichzeitig eine größere Freiheit bei der Wahl der verwendeten Vorgehensweise gewährleistet und zweitens von einer konsequenten Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Sinne der Abwägung einer gewissen Formalitätsstufe der anzuwendenden Regeln (die allgemein zu einer höheren Transparenz beiträgt) mit dem aus praktischer Sicht zumutbaren Umfang des Administrations- und Zeitaufwands der vorgeschriebenen Vorgehensweisen ausgeht.

Zum Inhalt des Gesetzes selbst ist in erster Linie anzuführen, dass darin wiederum einige bewährte Prinzipien und Institute aufgenommen wurden, die aus dem ursprünglichen Gesetz Nr. 199/1994 Slg., über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen bekannt sind und im Gesetz Nr. 40/2004 Slg. aus verschiedenen Gründen aufgehoben wurden:

  • Der Begriff „öffentlicher Auftrag“ (nachfolgend auch nur „Auftrag“) beruht daher wiederum ausschließlich auf der qualitativen Definition und umfasst allgemein jede Ausgabe, die eine Person, die im Sinne des Gesetzes Auftraggeber ist, im Zusammenhang mit dem Kauf von Waren, Dienstleistungen oder Bauarbeiten tätigt.
  • Das Gesetz gliedert die öffentlichen Aufträge nach deren vorgesehenem Wert in drei Gruppen (sog. kleinere Aufträge, Aufträge im Bereich unter den Schwellenwerten und Aufträge im Bereich über den Schwellenwerten), wobei die Schwellenwerte nach dem Gegenstand des öffentlichen Auftrags und nach dem Typ des öffentlichen Auftraggebers festgelegt werden. Die Abweichung der neuen Rechtsregelung von der bisherigen zeigt sich insbesondere in der Strenge der auf die einzelnen Gruppen der Aufträge anzuwendbaren Regeln.
  • Bei Aufträgen im Unterschwellenbereich gewährt das Gesetz den Auftraggebern erneut die Möglichkeit, die ehemals beliebte Vergabeform mit einer Aufforderung an fünf Lieferanten anzuwenden, und bezeichnet diese neu als vereinfachtes Verfahren im Unterschwellenbereich. Diese Möglichkeit gibt es bei allen Aufträgen über Lieferungen und Dienstleistungen im Unterschwellenbereich, bei Aufträgen über Bauarbeiten jedoch nur dort, wo der vorgesehene Wert den Betrag von 20 Mio. CZK nicht überschreitet.
  • Das Gesetz kehrt auch zur Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Kommissionen zurück – eine ist für die Phase der Öffnung der Angebote und die zweite für die Phase deren Beurteilung und der Bewertung vorgesehen. Das Gesetz ermöglicht somit den Auftraggebern, die Bindung von Arbeitskraft zu sparen, indem auf bestimmten Gebieten Fachkräfte ausschließlich bei der Beurteilung und bei dem Vergleich des Inhalts der Angebote verwendet werden können (jedoch nicht müssen), während mit formellen Vorgängen, verbunden mit der Prüfung der Vollständigkeit des Inhalts der Angebote weniger qualifiziertes Personal beauftragt wird.

Das neue Gesetz bringt im Vergleich zu Gesetz Nr. 40/2004 Slg. auch einige wesentliche Auslegungserläuterungen und eine neue und genauere Festlegung der Begriffe:

  • Es wird klarer und enger abgegrenzt, wer und unter welchen Umständen unter dem öffentlichen Auftraggeber zu verstehen ist (§ 2 des Gesetzes) – die Präzisierung gewährt eine größere Sicherheit insbesondere den staatlichen Betrieben und ähnlichen Subjekten, die unter dem Staats- oder Gemeindeeinfluss stehen.
  • Entgegenkommender ist nun auch die Behandlung der sog. in-house Vergaben, die vom öffentlichen Auftraggeber getätigt werden, d.h. der Situationen, in denen eine Person, die gesetzlich ein öffentlicher Auftraggeber ist, entscheidet, den öffentlichen Auftrag an eine Person zu vergeben, die mit ihr eng verbunden ist.
  • Die Änderungen betreffen auch die sog. sektorale Auftraggeber, bei denen der Vergabevorgang nach der Art der von ihm durchgeführten Tätigkeit gesetzlich festgelegt wird. Zu solchen Tätigkeiten, die einem gesetzlich festgelegten Vergabevorgang unterliegen (sog. relevante Tätigkeiten), gehört nun nicht mehr die Telekommunikationen und neu wurden hier Tätigkeiten aus dem Bereich des Postunternehmenseingestuft, insbesondere die Erbringung von Postdienstleistungen. Das Gesetz regelt ausdrücklich Situationen, in denen sich bei der Realisierung des Auftrags die Ausübung einer bestimmten relevanten Tätigkeit mit der Ausübung einer anderen Tätigkeit überschneidet, die das Gesetz nicht mehr als relevant bezeichnet – sog. Gleichlauf von Tätigkeiten.
  • Auch die Abgrenzung der Aufträge über Bauarbeiten wurde wesentlich geändert.
  • Eine willkommene Präzisierung bringt die Regelung von Ausnahmeumständen, unter denen sich der Auftraggeber für ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung entscheiden kann. Nach der neuen Regelung ist dies allgemein jede äußerst dringende Situation, die a) der Auftraggeber weder durch seine Handlung verursachte noch voraussehen konnte, und b) bei der der Auftrag aus zeitlichen Gründen nicht in einem anderen Vergabeverfahren vergeben werden kann.

Das Gesetz bringt gleichzeitig auch einige ganz neue Institute oder ändert den Inhalt der bestehenden Institute und erweitert deren Anwendung:

  • Neu erscheint der Begriff „zentraler Auftraggeber“. Es handelt sich um einen Auftraggeber, der die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für andere Auftraggeber durchführt. Als zentraler Auftraggeber kann dabei nur ein öffentlicher Auftraggeber auftreten, während der „vertretene“ Auftraggeber auch ein sektoraler Auftraggeber sein kann. Das zentralisierte Vergabeverfahren kann grundsätzlich in zwei Formen erfolgen: entweder auf Rechnung anderer Auftraggeber, oder auf eigene Rechnung mit anschließender Übertragung des öffentlichen Auftrags an andere Auftraggeber (in dieser Weise dürfen jedoch keine Aufträge über Bauarbeiten vergeben werden). Auftraggeber, die sich vertreten lassen, tragen grundsätzlich keine Verantwortung für einen eventuellen Gesetzesverstoß, diese trägt nur der zentrale Auftraggeber.
  • Wesentlich modifiziert wurde auch der sog. Rahmenvertrag – dieses Institut hat nun einen viel breiteren Anwendungsbereich als vorher und bietet eine Reihe verschiedener Modifikationen an. Insbesondere kann den Rahmenvertrag nun auch ein öffentlicher Auftraggeber schließen. Der Rahmenvertrag muss nunmehr nicht nur mit einem Bewerber geschlossen werden – das Gesetz unterscheidet zwischen den sog. (i) Exklusivrahmenverträgen und (ii) Rahmenverträgen mit mehreren Bewerbern.
  • Als eine ganz neue Form des Vergabeverfahrens führt das Gesetz den sog. Wettbewerbsdialog an. Er soll ein Instrument zur Vergabe von besonders schwierigen Aufträgen darstellen, bei denen technische Bedingungen oder die rechtlichen und finanziellen Anforderungen des Auftraggebers nicht im Voraus eingegrenzt werden können – diese werden erst im „Dialog“ mit den Interessenten geklärt. Dieses Instrument steht lediglich öffentlichen Auftraggebern zur Verfügung.
  • Das Gesetz bringt zugleich auch die Möglichkeit der Anwendung bestimmter spezifischer Vorgänge, die zu einer höheren Dynamisierung der grundlegenden Formen des Vergabeverfahrens beitragen könnten. Die elektronische Auktion ermöglicht es, die statische Phase der Bewertung der Angebote durch einen interaktiven Vorgang zu ersetzen, bei dem die einzelnen Bewerber, nachdem sie die Erstangebote ihrer Gegner kennen gelernt haben, mit elektronischen Mitteln im Rahmen einer Versteigerung ihre Angebote weiter verbessern und somit auch weiterhin um die Position des erfolgreichen Bewerbers kämpfen können. Das dynamische Einkaufssystem stellt eine elektronische Plattform zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen über übliche, allgemein zugängliche Ware dar. Der Auftraggeber bildet im Rahmen des offenen Verfahrens eine Form des elektronischen Marktes, indem er die Art und allgemeinen Bedingungen festlegt, unter welchen die einzelnen Lieferanten in das System eintreten dürfen, und die Lieferanten zur Stellung der vorläufigen Angebote auffordert. Zu dem Zeitpunkt, zu dem das gesamte System aktiv ist, erteilt der Auftraggeber die öffentlichen Aufträge nur an Lieferanten, die am System beteiligt sind und die auf die konkrete Teilaufforderung das günstigste Angebot vorlegen.

Das Gesetz bemüht sich, unnötige Komplikationen und die übermäßige Strenge des Vergabeprozesses zu beheben und dort, wo es möglich ist, die an den Auftraggeber gestellten Ansprüche allgemein zu mindern.

  • So wurde z.B. bei Zuschussempfängern die Pflicht eingeschränkt, nach dem Gesetz nur bestimmte Aufträge über Bauarbeiten im Überschwellenbereich und allfällige mit diesen Aufträgen zusammenhängende Aufträge über Dienstleistungen im Überschwellenbereich (sofern sie mehr als zu 50 % von einem öffentlichen Auftraggeber finanziert werden) zu vergeben.
  • Durch die neue Regelung wurden weiterhin Fristen verkürzt, die die Länge des Vergabeverfahrens beeinflussen. Ein allgemeiner Forschritt wurde schon dadurch erreicht, dass diese nicht ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung zu laufen beginnen, sondern bereits ab dem Tage, an dem die Bekanntmachung zur Veröffentlichung abgesandt wird. Die kürzestmögliche Frist zur Stellung der Angebote in den Auswahlverfahren im Unterschwellenbereich kann dabei auch 7 Tage betragen. Bei Aufträgen im Überschwellenbereich besteht wiederum die Möglichkeit, die Fristen durch Benutzung von elektronischen Mitteln für die Absendung der Bekanntmachung, durch freie Zugänglichmachung der Vergabedokumentation im Internet oder durch Anwendung einer vorläufigen Bekanntmachung deutlich zu kürzen. Wichtig ist, dass die einzelnen Kürzungsformen untereinander kombinierbar sind.
  • Eine beträchtliche Erleichterung stellt für die Auftraggeber auch das bereits erwähnte vereinfachte Verfahren im Unterschwellenbereich dar. In seinem Rahmen genügt es, wenn der Auftraggeber mindestens 5 Lieferanten nach eigener Wahl zur Stellung des Angebotes auffordert und die Aufforderung zur Stellung des Angebotes auf „geeignete Art“ (z.B. per Internet) durchführt. Darüber hinaus kann hier (genauso wie bei anderen Formen der Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Unterschwellenbereich) der Auftraggeber den Bewerbern ermöglichen, die Erfüllung der Qualifikationserfordernisse lediglich durch Vorlage einer Ehrenerklärung über die Erfüllung der grundlegenden Qualifikationserfordernisse nachzuweisen (ohne dass der Bewerber andere Voraussetzungen zu erfüllen hat).
  • Eine übermäßige Rigidität verliert auch die Regelung der Qualifikationserfordernisse. Leichter haben es nun die sektoralen Auftraggeber, die verpflichtet sind, die Erfüllung der Qualifikationserfordernisse nur in bestimmten Typen der Auswahlverfahren zu verlangen; Die ökonomischen und finanziellen Voraussetzungen werden (und zwar für alle Auftraggeberkategorien) nur beispielhaft festgelegt, der Auftraggeber kann seine eigenen definieren; Das Gesetz führt die Möglichkeit ein, die Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzungen (mit Ausnahme der grundlegenden) auch durch Sublieferanten nachzuweisen (einschließlich der Möglichkeit, die Werte, die allein durch den Auftraggeber Auftragnehmer und seine Sublieferanten, bzw. mehrere AuftraggeberAuftragnehmer, welche ein gemeinsames Angebot beim Nachweis bestimmter Kriterien stellen, ausgewiesen werden, zu summieren); Als eine Erleichterung kann auch die Einführung der sog. Systeme der zertifizierten Lieferanten angesehen werden (es besteht die Möglichkeit, die ökonomische, finanzielle und technische Eignung bei allen Typen der öffentlichen Aufträge mit einem Zertifikat zu belegen).

Die neue Regelung zog eine Lehre aus den typischen Fällen des Missbrauchs einiger Bestimmungen des Gesetzes zu Zwecken, die dem eigentlichen Sinne des gesamten Vergaberechts widersprechen. Die entsprechenden Fragen werden daher so geregelt, dass Missbrauch vermieden wird. Diese Eingriffe wurden sowohl (i) in die Sphäre des möglichen Verhaltens des Auftraggebers als auch (ii) der Gegenseite im Rahmen des Vergabeverfahrens eingearbeitet.

  • Neu geregelt wurden Fristen zur Erhebung von Einwänden, die früher von erfolglosen Bewerbern zur Blockierung der weiteren Vorgehensweise missbraucht wurden. Hat ein Lieferant Einwände gegen die Vorgehensweise des Auftraggebers, so muss er diese innerhalb von 15 Tagen ab dem Tag geltend machen, an dem er von dem vermeintlichen Gesetzesverstoß erfahren hat – er kann also nicht warten und seine Einwände erst je nach dem stellen, ob er im Verfahren erfolgreich war oder nicht. Auch kann er nicht mehr die Fehler des bisher geltenden Gesetzes ausnutzen, welches es ermöglichte, durch die Erhebung der Einwände den Abschluss des Vertrages mit einem bestimmten Bewerber über einen Zeitraum von 30 Tagen zu blockieren, wenn der Auftraggeber den Einwänden nicht stattgab, ungeachtet dessen, ob derjenige, der den Einwand erhoben hat, anschließend beim Kartellamt einen Überprüfungsantrag gestellt hat (und die entsprechende Kenntnis hinterlegte). Nach der neuen Regelung darf der Auftraggeber grundsätzlich nur bis zu dem Zeitpunkt keinen Vertrag schließen, bis die Frist zur Stellung des Antrags auf Überprüfung der Entscheidung des Auftraggebers abläuft. Nur wenn die Person, die die Einwände erhebt, so einen Antrag tatsächlich stellt, verlängert sich die Frist um weitere 45 Tage.
  • Aus dem Grunde der Rechtssicherheit legt das Gesetz ausdrücklich fest, dassökonomische und finanzielle Qualifikationsvoraussetzungen und technische Qualifikationsvoraussetzungen kein Gegenstand der Bewertungskriterien für die Auswahl des geeignetsten Angebotes sein können, und zwar ungeachtet dessen, ob sie im gegebenen Verfahren als Qualifikationsvoraussetzungen tatsächlich geltend gemacht wurden (von ihrem Charakter her hängen sie nämlich nicht mit dem Gegenstand des Auftrags, sondern mit dem Lieferanten zusammen).
  • Ferner wird es dem öffentlichen Auftraggeber verwehrt, das Vergabeverfahren aus fast beliebigen Grunde aufzuheben, falls er dies in der Vergabedokumentation vorbehalten hat. So ist der Auftraggeber oft in Fällen vorgegangen, in denen er sich mit unangenehmen Folgen seiner unrichtigen Vorgehensweise auseinandersetzen musste (er konnte auf diese Weise die Überprüfung beim Kartellamt vermeiden). Nun wurden genaue gesetzliche Gründe festgelegt, aus denen das Vergabeverfahren aufgehoben werden kann und der Eigenwille des Auftraggebers somit im Wesentlichen ausgeschlossen.