System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten22/12/09 / cata_european-union-news

Urteil des Gerichts erster Instanz vom 23.9.2009 in der Rechtssache T‑183/07 Polen gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften und in der Rechtssache T‑263/07 Republik Estland gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften

In diesen Urteilen hält das Gericht erster Instanz fest, dass die Europäische Kommission nicht berechtigt sei, den Mitgliedsstaaten die Menge der Treibhausgasemissionszertifikate zu bestimmen, die diese in einem bestimmten Zeitraum ausgeben dürfen. Die Kommission fürchtet daher, dass durch das Urteil die Strategie der EU im Kampf gegen Klimaänderungen wesentlich erschwert wird.

Die genannten Streitigkeiten betreffen den durch die Richtlinie 2003/87/EG  des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 13. Oktober 2003 geregelten Bereich. Das Ziel dieses Systems besteht in der wesentlichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen, so dass die sich aus dem Kyoto-Protokoll ergebenden Verpflichtungen der Gemeinschaften und der Mitgliedsstaaten eingehalten werden können. Die vorgenannte Richtlinie legt den Staaten auf, den sog. nationalen Zuteilungsplan (NZP) aufzustellen, aus dem die Gesamtmenge und die Zuteilungsart der Emissionszertifikate hervorgeht, die sie für den jeweiligen Zeitraum den einzelnen Subjekten – Produzenten von Schadstoffen – zuzuteilen beabsichtigen; dies alles nach eindeutig abgegrenzten objektiven Kriterien, die in den Anlagen der Richtlinie festgelegt sind. Der Plan ist von dem Staat zu veröffentlichen und sowohl den übrigen Mitgliedsstaaten als auch der Europäischen Kommission zu übermitteln. Die Europäische Kommission entscheidet nachher, ob der auf solche Weise von dem Staat aufgestellte nationale Zuteilungsplan im Einklang mit den festgelegten Kriterien ist.

Die Republik Estland und die Republik Polen verklagten die Europäische Kommission, da sie ihre Entscheidungen über die vorgelegten NZP dieser zwei Staaten für nichtig gehalten haben. Die Kommission hielt erstens bei beiden Staaten übereinstimmend fest, dass die vorgelegten nationalen Zuteilungspläne mit den durch die Richtlinie festgelegten Kriterien unvereinbar seien, und legte zweitens sowohl Estland als auch Polen eine Herabsetzung der Anzahl der Treibhausgasemissionszertifikate für die Jahre 2008 bis 2012 in konkreten Prozentwerten auf.

Das Gericht lehnte diese Vorgehensweise strikt ab, mit dem Hinweis darauf, dass die Europäische Kommission nicht kompetent sei, die Menge der von einem Staat auszugebenden Emissionszertifikate direkt festzulegen, sondern lediglich den Einklang des nationalen Zuteilungsplans mit den objektiv festgelegten Kriterien prüfen und bei Nichteinklang einen solchen Plan mit ihrer Entscheidung ablehnen könne. Falls sie gegen den Plan Vorbehalte habe, könne sie die darin enthaltenen Angaben beseitigen und durch andere Angaben ersetzen, die sie aufgrund ihrer eigenen Bewertungsmethode gewonnen habe. Die Kommission habe somit in die ausschließliche Kompetenz eingegriffen, die die Richtlinie an die einzelnen Mitgliedsstaaten übertrage und die den Mitgliedsstaaten einen bestimmten Raum bei der Entscheidung einräume, welche Methode sie zur Aufstellung ihrer NZP verwenden.

Das Gericht erster Instanz hob daher die Entscheidungen der Europäischen Kommission über die nationalen Zuteilungspläne der beiden Staaten auf.

Die Kommission legte gegen die Entscheidungen des Gerichtes in beiden Fällen eine Berufung ein; ihrer Ansicht nach habe das Gericht ihre Befugnisse bei der Bewertung der NZP viel zu eng beurteilt. Auch habe er nicht ausreichend den Hauptsinn des Handels mit Zertifikaten in Betracht gezogen, nämlich die Emissionsminderung und die Notwendigkeit der gleichen Behandlung aller Mitgliedsstaaten.

Die Einlegung des Rechtsmittels hat gegenüber der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz keine aufschiebende Wirkung; die Kommission arbeitet daher daran, die aufgehobenen Entscheidungen über die NZP der betroffenen Staaten durch neue zu ersetzen. Gleichzeitig weist sie jedoch darauf hin, dass man bei der Beachtung der durch die Richtlinie festgelegten Kriterien nur schwierig begründen kann, warum die Gesamtmenge der Zertifikate in den beurteilten NZP von den verifizierten Angaben des Plans für die vorhergehende Periode abweichen sollte.

Eine ähnliche Klage wurde vor einiger Zeit außer anderen osteuropäischen Staaten auch von der Tschechischen Republik erhoben, da auch in ihrem Falle die Menge der geplanten Emissionszertifikate von der Kommission herabgesetzt wurde, und zwar um ca. 15 Prozent. Hier ist das Urteil noch nicht gefallen.